Hat Euch schonmal jemand als gut oder nicht gut bezeichnet?
Was hat es mit Euch gemacht? Stimmte es? Und aus welcher Sicht?
Kolleginnendate
Gestern traf ich mich mit meiner Kolleginnenfreundin, der Sängerin Sarah Farinia, weil wir zusammen mal was Musikalisches machen wollen. Also gemeinsam singen, einen Song von mir, einen von ihr, zweistimmig… Vielleicht ein Video gemeinsam, so Musik machen für die Seele.
Wir „kennen“ uns irgendwie schon ein paar Jahre vom Sehen. Vom „Klinke in die Hand geben vor oder nach einer Show“ und Sarah hat mir hin und wieder auch einen Gig zugeschoben, wenn sie ausgebucht war. Aber was “zusammen gemacht haben wir noch nie. Na dann jetzt, wo das Live-Geschäft uns gerade so viele freie Tage schenkt.
Das Bild welches vorauseilt
Ich hatte ein Bild von ihr aus ihren Medienauftritten und da schien sie für mich groß und ein bisschen wie eine Diva. Aber nicht vom Wesen, sondern einfach von der Ausstrahlung. So ähnlich ging mir das schon vor ein paar Jahren mit meiner Kolleginnenfreundin, der Sängerin Vivien Gold. Auch wir sind uns immer mal begegnet, waren aber irgendwie auf Abstand.
Nachdem wir uns dann kennen gelernt hatten, wussten wir gar nicht mehr, warum wir uns nicht gleich angefreundet haben. Wir haben uns so gut verstanden und die Andere ganz anders kennen lernen dürfen als das, was der erste Eindruck mal vermittelt hatte. Na egal, lieber so, als gar nicht kennen und schätzen lernen 😉
Und dann in echt
In den letzten zwei Jahren hatten Sarah und ich hin und wieder mal ein paar schöne Gespräche, aber zeitlich immer irgendwie begrenzt, kurz vorm Auftritt oder am Telefon. Und gestern stand Sarah dann vor mir und ich frage: Huch… bist Du schon immer so klein?…. (was für eine Frage)…
Stolze 1,64 und somit kleiner als ich. Aber ihre Power lässt sie irgendwie groß erscheinen. Und was auch riesengroß ist, sind ihre Kulleraugen und ihr Herz. Und so haben wir dann unser Meeting mal etwas ausschweifen lassen und Ansichten über Gott und die Musikwelt von allen Seiten ausgetauscht.
Ich selbst bin selten involviert in die Geschichten und Szenarien anderer Musiker*innen, weil ich schon immer (also nach meiner Band Zeit) allein unterwegs war. Das merke ich immer dann, wenn mich andere fragen: Na kennste nicht den von der Band X und den Pianisten von der Combo Y ? Und ich grüble… mmh… nö. Die meisten kenn ich nicht. Manchmal den Namen, hab aber kein Gesicht dazu.
Das Bild das hängen bleibt
Das Ulkige dabei ist aber, dass die Anderen mich zu kennen scheinen. Und Sarah, schon bevor wir persönlich miteinander zu tun hatten, Meinungen über mich erfahren durfte. Von: Nee, die ist aber keine gute Sängerin, bis hin zu: Die ist toll. Sarah hat sich davon zum Glück nicht beeinflussen lassen, war auch schon in einem meiner Konzerte und ließ sich von nichts abhalten, mit mir singen zu wollen.
Es gibt immer was zu reden
Es ist komisch zu erfahren, dass andere Menschen über mich reden. Also klar, das tun Menschen ja immer. Vor allem, wenn man wie ich in der Öffentlichkeit unterwegs ist. Vieles bekommt man ja nicht mit. Das Wenigste wird einem direkt gesagt. In dem Moment, wo ich realisiere, dass es um mich und meine Leistung geht, frage ich mich, was es mit mir macht. Dass da Menschen sind, die mich bewerten und beurteilen. Es wär toll wenn ich behaupten könnte, ich wär schon so weit, dass mich das überhaupt nicht tangiert.
Und es gibt immer was zu fühlen
Irgendwie spannend. Ich scheine wahrgenommen zu werden. Der frühere Wunsch, von allen gemocht zu werden, weicht schon seit längerem einer Gelassenheit darüber, dass das nicht möglich ist. Außerdem der Motivation, mich auch daran aufzutanken, dass es Menschen gibt, die mich nicht leiden können und dem Bewusstsein, dass Antipathie nicht etwas mit mir zu tun haben muss. Sondern mit dem, der negativ bewertet oder sich durch das was ich oder wie ich es mache negativ berührt fühlt.
Laut „MindFlow“ von Tom Mögele soll das ja möglich sein. Genau so anders herum. Wenn es mich triggert, ist es nicht der andere der doof ist. Es liegt in mir ;-). Das Problem was es zu lösen gilt um sich nicht mehr getriggert zu fühlen.
Lass es dort wo es hingehört
In manchen Momenten schaffe ich das auch schon, ein negatives Gefühl oder Denken absolut bei dem zu lassen der es produziert und es nicht auf mich zu beziehen. Ich finde es eine großartige Aussicht auf ein entspanntes Dasein, wenn ich mir vorstelle, dass es mich nicht mehr juckt was andere über mich denken und dass scheinbar negative Ansichten und Gedanken und daraus resultierende Aktionen auch nur Energie sind.
Ob positive oder negative Energie das liegt ja in unserer eigenen Bewertung. Ach, ich schweife schon wieder ab. Aber das ist so ein interessantes Feld, welches, wenn wir es dann mal beherrschen, so viel Leichtigkeit in unsere Leben zurück bringen könnte. Hach… ach wenn ich doch schon so weit wäre.. lach… na ich übe… und auch das macht Freude….
Wen es interessiert, wie ich das meine, bzw. welches Konzept dahinter steckt, kann ja mal den Artikel über meinen Workshop lesen oder sich mit MindFlow beschäftigen. Es ist mit Sicherheit nicht der einzige Weg. Es ist nur ein super Impuls und Ansatz, ganz konkret an eigene Verstrickungen und Blockaden ranzugehen und sie zu lösen. Ich persönlich sehe das als eine große Chance, mich davon frei zu machen und bei mir zu bleiben.
Wie lautet die Antwort?
Zurück zu mir und der Auseinandersetzung mit dem Thema, ob ich eine gute Sängerin bin. In Gedanken sehe ich mich irgendwo in einem Interview und höre die Frage : Clara, bist Du eine gute Sängerin? Früher hätte mich das ziemlich aus dem Konzept gebracht und ich hätte rumgestottert. Heute möchte ich zurück fragen, was denn eine gute Sängerin ausmacht? Einfach „ja“ zu sagen ist nicht mein Ding. An mir zu zweifeln auch nicht mehr. Das hab ich lange gemacht.
Ich nehm Dinge, Sachverhalte und Fragen gern auseinander, um Clara darüber zu werden, was andere möglicherweise meinen und was ich darüber fühle und denke. Und am Ende komme ich immer wieder zu dem Schluss, dass sich die Anderen so oder so ihre ganz eigene Meinung bilden, egal wie ich mich verhalte.
Noch nicht über den Berg…
Dass ich so lange darüber nachdenke und diesen Beitrag hier schreibe zeigt mir ganz klar, dass ich noch nicht frei bin und es mir noch nicht egal ist, was andere über mich denken. Aber was anders ist als früher. Es tut nicht mehr weh. Ich fühl mich nicht mehr klein, wenn das Urteil nicht so positiv ausfällt. Aber ja, es beschäftigt mich. Um eine klare Antwort auf diese fiktive Interviewfrage geben zu können, einfach so für mich. Geh ich mal ins Detail.
Runde 1 – Fragen und analysieren
- Wann ist eine Sängerin eine gute Sängerin?
– Wenn sie die Töne trifft?
– Wenn sie eine weite Range an Tönen hat?
– Wenn sie Songs aus vielen Genres interpretieren kann?
– Wenn sie angenehm klingt? … mhh, was ist angenehm?.. was ist klingen?
- Was ist eine gute Stimme?
– rockig/fett oder soulig/weich oder eher klar/sanft?
– Wenn sie technisch ausgebildet und versiert ist?
– wenn sie das Herz berührt?
– wenn sie ganz eigen klingt oder wenn sie wandelbar ist?
– wenn sie lange durchhält?
Gibt es gut oder schlecht? Oder eher nur gefällt mir, gefällt mir nicht?
Ich mag Annett Louisan. Sie erzählt Geschichten, die mich berühren. Ganz nah am Ohr. Ich mag ihre sanfte Elfenstimme, ihre Stimmfarbe, die perfekt zu der Musik passt. In Konzerten habe ich erlebt, welche sie Power aber auch bei anderen Genres in ihrer Stimme hat. Aber ich kenne einige Menschen die sagen: Na die kann doch nicht singen. Weil sie ihr Timbre, ihren Klang nicht mögen.
Ist sie dadurch keine gute Sängerin?
Ich höre gern Rosenstolz, besonders die ganz alten Songs. Da kommt was bei mir an, was nicht glattgebügelt, sondern ganz authentisch rausgesungen wurde. Es ist einfach unverkennbar, inhaltlich und von den Melodien her so besonders.
Ist Anna eine gute Sängerin?
Ich bewundere Pink für Ihr Stimmmaterial – sie ist so vielfältig – von einfühlsam bis knallharte Power. Manche Songs mag ich total, da falle ich hinein. Manche sind mir zu mächtig und ich fühl mich erdrückt.
Ja.. alles klar… Pink ist eine gute Sängerin – keine Frage
Ich bewundere die stimmlichen Fertigkeiten von Celine Dion, Mariah Carey, aber ich höre sie nicht gern, weil die höheren Stimmfrequenzen und der Druck der Stimme mich eher stressen, als entspannen.
Käme jemand auf die Idee, dass sie keine guten Sängerinnen sind?…. Also ich nicht.
Runde 2 – Ich frag mal Google
Da finde ich unter der Frage nur die 10 besten Sänger*innen der Welt und davon sind 80 % nicht mein Geschmack. Aha ja… Da haben wir´s. Geschmack! Ist das nicht alles eh eine Frage des Geschmacks, was gut ist und was nicht. Bzw. was jemand gut findet und was nicht.
Runde 3 – Meine persönlichen Ansichten und Vorlieben
Was heißt für mich „gute Sängerin bzw. guter Sänger“ ?
- wenn jemand die Töne trifft, die zur Musik passen oder gehören
- wenn jemand hören kann, ob die Töne zur Musik passen
- wenn jemand beim singen so atmet, dass die Atmung ein Lied nicht unterbricht
- wenn er/sie nicht kopiert, sondern einen ganz eigenen Stil hat
- wenn jemand das was er singt auch fühlen kann
- wenn jemand in einer Band auch auf die anderen hört und miteinander singt
- wenn jemand nicht in jedem Lied gleich laut oder leise, kräftig oder sanft klingt
- wenn die Stimme passend zum Text erklingt
- wenn jemand beim Singen rhythmisch mit der Musik fließt – im Takt ist
- wenn jemand mit der Stimme Emotionen transportiert, wenn ich beim Hören mitfühlen kann
- wenn ich mich beim Zuhören gestreichelt oder eingehüllt fühle
- wenn ich es annehmen kann, weil es ehrlich klingt
- wenn die gesungenen Tönen mich nicht nerven
- wenn der Gesang sich in die Musik einfügt und beides harmoniert
- wenn jemand auch leise singen und dabei klingen kann
- wenn sowohl hohe als auch tiefe Töne harmonisch in mein Ohr dringen (ich hab ein paar Schwierigkeiten mit schrillen Tönen 😉 )
Bei dieser Art der Bewertung kann ich durchaus differenzieren und finde den Gesang gut, auch wenn es nicht mein Genre ist. Aber wenn viele Aspekte erfüllt sind, ist die Chance groß, dass es mir insgesamt gefällt, lach.
- Außerdem ist eine gute Sängerin auch jemand, die einfach interpretieren kann, eine Rolle spielen kann, die Musik, die es zu besingen gibt transportieren kann… um mal von meinem persönlichen Geschmack etwas Abstand zu nehmen…
Runde 4 – Selbstcheck
Möchte ich eine gute Sängerin sein? Lach…. Früher wollte ich das unbedingt. Das weiß ich noch. Heute weiß ich, ich möchte Texte schreiben, möchte sie in Lieder packen und singen. Ich will es einfach tun. Ich will nicht mehr gut sein. Es ist ja eh so relativ – siehe obige Fragen – dass es für den einen Hörer gut ist und für die andere Hörerin nicht.
Auf meine Art bin ich gut.. für mich selbst. (Hihi.. ich konnte fast alle meine Ansichten über guten Gesang positiv abnicken – wie geil) Yeah… das ist der Beweis! Ich bin eine gute Sängerin, weil ich mich gut finde….
Ich mag inzwischen was ich mache, wie ich klinge und ich könnte gerade heulen vor Glück bei dieser Erkenntnis. Es geht nicht um die Anderen. Es geht um mich. Bin ich das, was ich gut finde? Nur das ist wichtig. Jaaa…ich bin es. Hihi.. ein bisschen komisch ist es schon so ein Selbstlob, aber es hat auch was Magisches. Es macht auf gewisse Weise unangreifbar.
Kritik und Anerkennung in Waage
Wir sind meistens selbst unsere größten Kritiker*innen, Antreiber*innen, Be- und Verurteiler*innen und es wirkt. Und die Meinungen von außen kommen noch drauf und verstärken, was wir eh schon sabotierend am Laufen haben. Die eigenen kritischen Stimmen und die der Anderen anzuhören und sich zu reflektieren finde ich zwar wichtig, um nicht im Nirvana der Selbstüberschätzung zu landen. Dennoch ist es Zeit, jedenfalls für mich, auch meine größte Anerkennerin zu werden. Mich selbst gut zu finden. Das was ich mache, was ich kann und darauf zu pfeifen, wie andere das sehen bzw. hören.
Wohlfühlen
Sarah und ich singen ein paar Lieder. Ich höre ihr zu und bewundere, in welche Höhen sie kommt. Wie sie sich an jedes Lied anpasst, eine super schöne zweite Stimme singt und ihre enorme Kraft…huiii…. Da kommen Töne die reichen von hier bis zum Mond. Und zwar schöne Töne…
Dann singe ich… und ich fühle mich wohl. Nicht jeder Ton sitzt, denn die Routine fehlt. Aber das Gefühl stimmt. Ich mag meinen Klang… Whohooo… Ich bin endlich da, wo ich immer sein wollte.
Nein, nicht in der Perfektion, nicht in der 4 Oktaven Range mit astreiner Technik. Nicht in der Position wo andere sagen: Wow, Du singst aber geil. Nicht in der Riga der besten Sängerinnen der Welt … Nein ich bin in einem Wohlgefühl mit mir selbst angekommen. In einem Modus, in dem ich das was ich fühle stimmlich transportieren kann und mir selber gern zuhöre. Ich muss schon wieder heulen…. Und vorhin musste ich lachen… und ich merke gerade wieder, welch eine geile Therapie dieser Blog und das Schreiben ist.
Haltet mich für durchgeknallt… aber lieber durchgeknallt als blockiert und verstrickt mit all den Meinungen da draußen, die nichts mit mir zu tun haben. Sondern mit Geschmäckern und Befindlichkeiten der anderen, die etwas ganz eigenes hören und empfinden und es am Ende mit ihren Eindrücken bewerten. Völlig okay, machen wir alle. Aber ich muss es nicht verwerten. Es darf einfach so stehen bleiben.
Ich geh jetzt erstmal ne Runde singen…
Und hier ein Lied, welches ich für mich selbst geschrieben habe:
Liebe Clara,
ein ganz toller Blog, der nicht nur Sängerin, Musiker oder alle Musikliebhabenden anspricht. Deine persönlichen Ansichten haben sehr inspieriert! Danke dafür & alles Liebe!
Hallo Natalie, ich freu mich sehr über Deinen Kommentar, vielen lieben Dank!!! Schön, dass ich ein wneig Inspiration geben kann und mein Blog Dich anspricht…. das inspiriert mich wiederum: Alles Liebe auch für Dich. Clara
[…] Warum ich so ausführlich drüber schreibe? Na um Clara zu werden. Weil es nicht nur die glamourösen Bühnenseiten gibt und ich eben auch Tage habe, an denen ich weniger gut drauf bin bzw. nicht an mich glauben kann. Es gibt eben auch Backstage. Und es gibt dunkle Ecken in den Katakomben eines Theaters in die ich mich verkriechen möchte. Da wo ich als Künstlerin nicht strahlend im Rampenlicht stehe, sondern in Selbstzweifeln bade und einen Ausweg aus der Unsicherheit suche. Und den Weg da raus finde ich leider auch nicht in Gesprächen, in denen mir jemand sagt, dass er toll findet was ich mache. Den finde ich nur in der Auseinandersetzung mit mir selbst. Im Eingestehen und Annehmen. Im „Nichtvergleichen“ und im Wertschätzen meiner Selbst. […]