Auf meinem unausgereiften Plan steht:
Biohof am Jakobsweg und ich tuckele los

 

Irgendwo in Brandenburg

Irgendwo in BrandenburgBiohof am JakobswegWeide im AbendlichtAls ich auf einen Feldweg zum Biohof abbiege, habe ich schon das Gefühl dass ich richtig sein werde, denn für mich kann es gar nicht weit genug in der Walachei liegen. Langsam ich fahre an Maisfeldern vorbei, genieße die Weite die sich vor meinen Augen eröffnet und lande irgendwann an einer großen Weide. Ich überlege mir was ich sage, wenn ich jetzt gleich aussteige und jemandem begegne und da kommt schon eine Frau aus dem Haus und interessiert auf mich zu und fragt, ob ich zu ihr möchte.

Ich sage, ich weiß es noch nicht genau, und erzähle warum ich hier bin. Sie eröffnet mir sofort die Möglichkeiten, zeigt mir das Gelände und die Ziegen, Gänse, Wollschweine und durch welches Tor ich wann gehen darf und wann nicht, wo die Toilette und die Dusche ist. Unkompliziert und klar. Ich frage ob ich fotografieren darf und was es kostet und dann sind wir uns einig.

Da ich nicht weiß, wie lange ich bleiben werde, schlage ich vor, das Finanzielle gleich zu regeln. Während wir zum Auto gehen, reden wir ein bisschen. Sie erzählt, dass wir uns morgen bestimmt noch sehen, da sie Urlaub hat und ich erzähle dass ich jetzt mit meinem Mann auch im Urlaub wäre wenn da nicht.. .Tja Corona. Und dass wir den Urlaub gecancelt haben, weil es finanziell einfach nicht gepasst hat, da wir den ganzen Sommer keine Einnahmen hatten.

Großzügigkeit und Dankbarkeit

Sie schaut mich an und sagt: Dann will ich Ihr Geld aber nicht. Ich schaue verdutzt zurück. Hat sie das jetzt echt gesagt? Mir ist das etwas unangenehm, denn ich wollte mit meiner Erzählung keine Mietminderung bewirken, geschweige denn irgendwas kostenlos nutzen wollen. Und 20 € für Stellplatz und Dusche sind auf jeden Fall drin und auch völlig berechtigt. Aber sie gibt mir bestimmt das Geld zurück und sagt, dass es ihnen gut geht. Dass sie trotz oder sogar durch Corona gut verdient hätten mit ihrem Biofleisch und dass sie es nicht bräuchte. Ich bin so überrascht und erfreut über so viel Großzügigkeit und nehme es dankend zurück. Nun ja… wieder eine Übung. Da ich es selbst nicht mag, wenn Geld hin und her angeboten und abgelehnt und wieder angeboten und wieder abgelehnt wird, nehme ich dieses Geschenk an und freue mich einfach darüber, dass es solche Menschen gibt.

Highlandrinder und Kletterziegen

Die Ziegen klettern gern mal auf AutosZiegen klettern gern mal auf AutosZiegen klettern gern mal auf AutosAls ich das Auto auf den angewiesenen Platz bringen will, sagt sie: Ach ja, unsere Ziegen klettern gern mal auf Autos. Aber meistens eher auf so Kleinere. Ihres ist so groß, auf so eines sind sie noch nie geklettert. Ich muss einerseits lachen und andererseits ist mir etwas mulmig. Das neue Auto und die Vorstellung, dass sie da raufklettern und ich stell mir vor wie mein Schatz das finden würde.

Dann frage ich vorsichtig: Oh… gibt es da vielleicht doch noch eine andere Möglichkeit? Und sie sagt, ja hier vorn auf dem Parkplatz kann ich auch stehen, dann muss ich halt zur Toilette immer rumlaufen. Okay, super, das nehm ich in Kauf. Ich mag Ziegen wirklich gern, aber nicht auf unserem Auto. Auf dem Parkplatz zu stehen finde ich auch insofern richtig gut, weil ich da gleich morgen früh auf die Weide mit den Highland Rindern schauen kann. Diese Weide ist einfach ein Traum für jedes Rind und die Tiere selbst sind so göttlich schön. Ich könnte sie stundenlang bewundernd anschauen. Ich frage, ob ich auf die Weide darf und ein paar Fotos zu machen und sie bietet mir an, morgen früh mit zum Füttern hinauf zu gehen.

Abendlicht und Tierportraits

Kurze Zeit später lerne ich noch den Hofherrn kennen. Wir unterhalten uns kurz und er meint, ich könnte gern einfach so auf die Weide. Das nutze ich dann auch gleich, um in der Abendsonne ein paar dieser schönen Geschöpfe abzulichten. Danach sind die 3 Ziegen dran und die Wollschweine. Die Gänse sind leider zu scheu. Die Fotos, die bei solchen Trips entstehen, möchte ich irgendwann mal in einem Kalender zusammenfügen, den es dann in meinem Clara Shop zu kaufen gibt. Hier schonmal ein paar davon für Euch:

Traurige Erkenntnis und Erinnerungen

Ich bin erstmal total glücklich, so viele Tiere um mich zu haben und erst nach und nach wird mir wirklich bewusst, dass diese ja nicht nur zum Vergnügen für fotografierwütige Touristen da sind. Es ist ein Biohof. Die Menschen hier leben vom Verkauf von Bio Fleisch. So richtig klar wird mir das, als ich die Kühlräume sehe und auch den Geruch wahrnehme, der mich an die Zeit auf einem Bauernhof erinnert, wo früher mein Pferd stand und wo regelmäßig geschlachtet wurde. Einmal habe ich ungewollt miterlebt, wie ein Schwein geschlachtet wurde. Ich war im Keller, um mir meine Reitklamotten anzuziehen und ich hörte den Schuss und das Schreien des Tieres und dann noch einen Schuss. Und dann als ich aus dem Keller kam, sah ich überall das Blut und musste mich kurz darauf übergeben. Später als ich vom Ausritt kam, war da dieser riesen Bottich mit der Grützwurst und ich hab erst da geschnallt, woraus die besteht.

Annahme und Betrachtungsweise

Naja… jedenfalls kommen bei mir einige Erinnerungen hoch und ich versuche mich dadurch nicht von all dem Positiven ablenken zu lassen was ich hier vorfinde. Den Tieren, die hier leben, geht es wirklich gut. Sie haben Platz, Gemeinschaft, Menschen die sich um sie kümmern und auch wenn das Schicksal was sie erleben werden nicht meiner Vorstellung entspricht, haben sie bis zu dem Punkt ein tolles Dasein. Ich habe ja nicht viel Ahnung, aber dieser Kreislauf hier, in dem Menschen Tiere „nutzen“ ist keine Massentierhaltung, sondern fühlt sich wie ein Miteinander leben an. Und auf der Suche nach positiven Gedanken kommt mir der, dass wenn wir davon ausgehen, dass wir Menschen mehr im Hier und Jetzt leben sollten, können wir das ja auch auf die Tiere ausweiten. Und jetzt und hier haben die Tiere auf diesem Hof ein wirklich tolles Leben.

Es liegt mir fern, mit meinen Beschreibungen irgendwelche Bewertungen abzugeben. Ich schildere einfach nur meine Gedanken und Empfindungen. Und diese Empfindungen sind eher trauriger Natur, wenn ich weiß, dass Tiere von uns Menschen geschlachtet werden. Und um nicht in dieser Traurigkeit zu versinken, will ich einfach annehmen was ist und akzeptieren, dass das eben auch zum Leben gehört. Die Verschiedenartigkeit in der wir leben, fühlen, uns ernähren, uns das zunutze machen, was die Natur hervor bringt. Was ist richtig und was ist falsch? Ich kann nur entscheiden was für mich richtig oder falsch ist und wie ich leben will oder nicht.

Reisepläne

Zurück zum Biohof. Am Abend mache ich mir mein Abendessen auf  einem tischgroßen Baumstumpf vor der Weide und sitze bis es dunkel ist und nur noch die Umrisse der zotteligen Weidenbewohner sehen kann. Hinter mir geht plötzlich das Licht an und ich sehe wie ein Häschen aus der Einfahrt hoppelt und auf der Wiese verschwindet. Ich überlege, wohin ich morgen fahren werde und schreibe eine Nachricht an einen Kontakt eines Bekannten, der einen Pferdehof betreibt. Mal wieder in der Nähe von Pferden sein wäre eine schöne Sache. Leider klappt das nicht. Dort ist derzeit keiner auf dem Hof.

Okay, da ist ja noch dieses Buch „Landvergnügen“. Das kam leider mit der Post nicht mehr vor meiner Abreise an und ich bitte meinen Schatz, mal durchzublättern und zu schauen, ob er ein paar Höfe in meiner Nähe findet. Das tut er und fotografiert sie für mich ab. Zwei davon hören sich ganz gut an und ich schau in welcher Reihenfolge sie sich am besten in meine Reiseroute integrieren. Da ist einmal Ökohof Engler und der Erlenhof im Oderbruch. Okay auf der Karte liegt zuerst der Hof im Oderbruch. Na dann hab ich ja ein Ziel für morgen.

Für andere Urlaub, für die Eigentümer eine große Aufgabe

Am Morgen lerne ich noch Adele und Bobby kennen, die beiden Biohof Hunde, denen man sich nur nähern sollte, wenn Herrchen oder Frauchen dabei sind. Ich bekomme die Räumlichkeiten des Hofes, in denen Hochzeiten und Partys stattfinden gezeigt. Ein Saal für bis zu 150 Personen, eine kleine Bar und eine gut bestückte Küche. Alles da und das in optimaler Ausstattung. Außerdem gibt es Ferienwohnungen mit Blick auf das weite Feld hinter dem Hof. Neben all den Gegebenheiten und Annehmlichkeiten für Reisende und Kunden möchte ich nicht wissen, wieviel Arbeit hier über die Jahre und Tag für Tag drin steckt. So ein großes Anwesen bringt mit Sicherheit unendlich viele Aufgaben mit sich. Das denke ich mir auch als ich die Hofherrin sehe, wie sie Baumzweige über den Weg zur großen Koppel bringt. Dabei sagte sie doch, sie hat Urlaub. Aber hat man auf so einem Gut Urlaub, wenn man nicht wegfährt? Es gibt mit Sicherheit immer was zu tun.

Noch ein Stündchen im Grünen

Ich schnappe mir meine Decke und verbringe noch eine Stunde auf der Koppel, die für mich wie ein Ausschnitt aus einer anderen Welt vor mir liegt. Ich mache dort meine Asanas, sammle mit den Augen Schirmpilze, die scheinbar nur dadurch, dass ich meine Aufmerksamkeit auf sie lenke immer mehr werden. Die Rinder sind weit weg, am anderen Ende der Weide. Ich sehe sie wie in einem Film zwischen den Bäumen grasen. Dann wird es Zeit weiter zu ziehen. Ich überlege, ob ich noch einmal reingehe und mich für ihre Gastwirtschaft bedanke. Aber das große Tor ist zu und ich will irgendwie auch nicht mehr stören. Ich hatte dem Hausherrn schon auf Wiedersehen gesagt und werde, wenn ich wieder zu Hause bin noch eine Mail senden. Die wird erst jetzt, mit diesem Blogartikel bei Ihnen ankommen, weil ich es nicht vorher geschafft habe, die Fotos zu bearbeiten und mitzusenden.

Auf jeden Fall bleibt mir der Biohof am Jakobsweg in guter Erinnerung, trotz oder auch wegen der inneren Auseinandersetzungen, die er in mir angeschoben hat. Dadurch bin ich auch wieder ein Stückenchen Clara geworden. Also vielen lieben Dank für alles!

Und hier gibt es das Video von meinem Tag auf dem Biohof:

Tag 1 meiner Autoreise zum Teupitzer See findet Ihr hier.