Eine Geschichte von meiner Freundin Leni
über ein gemeinsames Erlebnis im Pflegeheim
und das daraus entstandene Lied.

Es geht um das Thema, dass wir viel zu wenig Zeit haben oder Sie uns nehmen, um sie mit der Familie zu verbringen. Vor allem mit den älteren Menschen, die nicht mehr so aktiv an unserem Leben teilnehmen können.

Ich habe einen Uropa, der seit einiger Zeit im Pflegeheim ist. Es geht nicht direkt um ihn, sondern um das Gefühl, jemanden besuchen zu müssen, zu sollen aber auch zu wollen und Dinge vorzuschieben, um der Verpflichtung nicht nachgehen zu müssen, weil es auch nicht immer schön ist, sich mit den Themen die ein Dasein im Pflegeheim mit sich bringt beschäftigen zu müssen. Dabei ist es so schön wenn man das Leuchten in den Augen sieht, wenn man den Opa besucht und Zeit mit ihm verbringt.

Leider besuche ihn nicht so oft. Das Pflegeheim ist eine dreiviertel Stunde von uns entfernt. Mit zwei kleinen Kindern (2,5 Jahre und 1 Jahr) schaffe ich es einfach nicht. Im Juli waren meine Freundin Clara, mein Baby und ich zu einem langersehnten Wellnesstag in Senftenberg, dort wo Opa jetzt wohnt. Ich fragte sie, ob es okay sei, wenn wir auf dem Rückweg mal kurz im Pflegeheim anhalten könnten. Ich war schon lange nicht mehr da und hatte deshalb auch ein schlechtes Gewissen. Und jetzt, wo wir schon einmal hier waren… Sie stimmte zu. Ich fand es ihr gegenüber ein wenig blöd, dass sie jetzt mit mir mit musste und wollte den Besuch deshalb auch kurz halten.

Wir gingen durch die Kantine den bekannten Weg zum Fahrstuhl. Am Ende des Ganges saßen zwei Pflegerinnen mit Musikinstrumenten, umgeben von Senioren die fröhlich Lieder sangen. Ich schmunzelte und fand es schön, dass das Pflegeheim solch schöne Angebote macht. Wir fuhren mit dem Fahrstuhl nach oben. Ich klopfte und wir gingen rein. Da saß er auf seinem Stuhl. Seine Gesichtszüge veränderten sich zu einem Lächeln. Ihm war die Freude anzusehen. Ich nahm Mio (zu dem Zeitpunkt ca. 9 Monate alt) aus der Babyschale und legte ihn aufs Bett. Ich erzählte ihm, dass unten gesungen wird und fragte, warum er nicht mit runter geht. Er schüttelte nur den Kopf und sagte: „Ach Leni, mit mir ist nichts mehr los!“ Ich spürte seine Traurigkeit. Aber als er den kleinen Mio ansah, strahlte er.

Dann holte er ein Fotoalbum raus und zeigte es mir. Er erzählte über Vergangenes und ich hörte zu. Dann legte er das Album wieder weg. Innerlich war ich ein wenig unruhig. Ich wollte wieder los. Meine Freundin stand am Fenster. Ich wollte sie nicht zu lange warten lassen. Also sagte ich, wir müssen jetzt langsam wieder los. Plötzlich fragte mich Opa, ob er mir das Fotoalbum schon gezeigt hat und holte es wieder raus. Ich fühlte seinen Schmerz und das er uns nicht gehen lassen wollte. Ich packte langsam alles ein, setzte Mio in die Babyschale. Wir verabschiedeten uns. Opa kam noch mit auf den Flur, wo noch andere Senioren saßen. Mir stiegen die Tränen in die Augen. Ich musste mich zusammen reißen. Ich drückte ihn nochmal kurz und wir gingen zum Fahrstuhl.

Im Fahrstuhl liefen dann die Tränen. Bei mir und bei meine Freundin, ergriffen von dem Moment mit Gedanken an die eigene Familie und ich mit meinen Gedanken. Wäre es besser gewesen erst gar nicht her zu fahren? Oder ist ein kurzer Besuch trotz Schmerz besser als gar kein Besuch? Was ist richtig was ist falsch? Was erzähle ich, wenn wir nichts mehr gemeinsam erleben? Werden wir dann schweigend nebeneinander im Zimmer sitzen? Ist es für den Uropa eine Qual uns zu sehen oder doch etwa schön? Ein trauriger Moment. Meine Freundin und ich liegen uns draußen auf dem Parkplatz in den Armen und schluchzen. Mir geht es schlecht! Ich wünschte ich wäre länger geblieben…

Ein paar Tage später bekam ich eine Nachricht von meiner Freundin: „Hey mein Sternchen… auch wenn es ein sehr trauriger Moment war… und nichts mit uns beiden zu tun hat… hat er mich so berührt, dass ein Lied draus geworden ist…“

Dieses Lied möchte ich gern mit Euch teilen. Zum einen weil es von dem gemeinsamen Moment erzählt, den wir beide so intensiv, wenn auch traurig erlebt haben und zum anderen, weil es bestimmt auch anderen Menschen so geht, dass sie sich wenig Zeit nehmen um Oma und Opa zu besuchen.

Ich habe das Lied gehört und es hat mich veranlasst nach kurzer Zeit wieder hinzufahren. Ich habe beide Kinder geschnappt, den Rat meiner Freundin befolgt und ein Liederbuch mitgenommen und bin wieder zum Uropa gefahren! Mit mehr Zeit. Wir haben gemalt, gesungen und gelacht. Diesmal hatte ich nicht das Gefühl, dass die Zeit zu kurz war, sondern ein Gefühl von Glückseligkeit.

Liebe Grüße
Leni

 

Immer wenn

Immer wenn ich dich besuche geht mir so viel durch den Kopf
und noch mehr durch mein Herz
Doch ich will es Dir nicht zeigen – Hüll meine Traurigkeit in Schweigen
Denn sie trägt Deinen Schmerz

Ich bin viel zu selten bei Dir – fühle mich und Dich so hilflos
Und trau mich nicht zu fragen wies Dir geht
Deine Welt ist jetzt ein Zimmer – Und Du weißt es ist für immer
Denn es ist Herbst und es ist schon spät

Die Erinnerung an das wundervolle  Leben
Und an die Lieben ist noch wach
Und die Zeit in der noch alles möglich schien
Hallt noch leise in dir nach

Du sitzt in Deinem Stuhl
Die Sonne scheint ins Zimmer
Doch nicht mehr in Dein Herz

Dich locken keine Melodien mehr
Was noch bleibt hat keinen Wert mehr
Du sehnst Dich nur noch himmelwärts

Wir durchstöbern alte Fotos  und erzählen uns von damals
Und kleine Glücksmomente holen uns ein
Dein Lachen – was ich so gern mag
Verdrängt kurz den neuen Alltag
Und lässt uns fast wie früher sein

Ich halte Deine Hand und erzähl Dir von den Kleinen
Und ich weiß nicht tut es gut oder tut´s weh
Du wärst so gern noch mit dabei – Und weißt genau das ist vorbei
Und Du sagst – Nix mehr los – ich versteh

Die Erinnerung an das wundervolle Leben …

Jedes Mal wenn ich dich besuche
Fühl ich Leichtigkeit und Schwere in einem Augenblick
Und die viel zu kurzen Stunden sind wie Salz in Deinen Wunden
Denn Du bleibst und ich geh zurück

Die Erinnerung an das wundervolle Leben …