Der Beginn eines neuen Jahres hat für mich etwas Magisches. Und etwas Desillusionierendes zugleich. Je nachdem von welcher Seite ich es betrachte bzw. von welchem Zeitpunkt aus.
Das Jahresende
Am Jahresende gibt es einen reizenden Ausblick auf ein neues Jahr voller Schwung. Im November bin ich irgendwie müde, ich habe viel geschafft und nun das Bedürfnis, mich zurück zu ziehen. Auch wenn ich im Zuge aller beruflichen und privaten Aktivitäten statt dessen voll aufdrehe und das Weihnachtsgeschäft durch Konsum, Events und tausend Erledigungen ankurble. Mein Gefühl verurteilt das bunte Treiben überall in den Städten. Haben nicht noch mehr Menschen genau wie ich, Sehnsucht danach, sich zu verkriechen und einfach mal eine lange Weile nichts zu tun?
Rummel statt Einkehr
Ich fühle Jahresendstimmung. Möchte, wie die Natur es vorlebt, zur Ruhe kommen. Einmummeln, Tee trinken, lesen, in die kahlen Bäume gucken, Klassik hören, nichts müssen und zeitig schlafen gehen. Statt dessen steht eine Liste von Erledigungen im Raum: Dekorieren, Weihnachtsfeiern, Geschenkejagd, Benefizveranstaltungen, Süßkram backen, Feiertage planen, Grußkarten schreiben, Adventskalender befüllen, Weihnachtsmärkte bebummeln… etc.
Endspurt mit Ausblick
Und im Hinterkopf die Idee, danach schwungvoll in den Januar zu starten. Aber wie? Mit welchen Energiereserven? Oder gibt es an Silvester eine Aufladung? Wäre toll. Im Ernst, irgendwas fasziniert mich an der neuen Zahl, dem neuen Jahr und lässt mich immer wieder glauben, dann würde ich so richtig loslegen und alles umsetzen, was ich im vergangenen Jahr nicht geschafft habe.
Der Irrsinn der guten Vorhaben
Ich zähle gedanklich auf, was ich mir für das neue Jahr vornehme. Das funktioniert wie eine Basisprogrammierung, die ich zwar wegklicke, die aber immer wieder neu geladen wird, weil sie nicht vollständig von der Festplatte gelöscht wurde. Ich weiß, dass es völlig irrsinnig ist, neue Vorhaben mit dem Beginn eines neuen Jahres zu verknüpfen. Dennoch schnipst es mir ständig in den Kopf, was ich nach der Silvesternacht wie von Zauberhand in die Tat umsetzen werde, weil ja dann ein neues Jahr anbricht. Und wofür ich nicht den Mumm hatte, es im November oder September oder an einem x-beliebigen Tag im vergangenen Jahr zu beginnen. Es ist doch nur eine Zahl am Ende des Datums die sich verändert. Täglich verändert sich im Datum eine. Warum ist die es nicht wert große Pläne und wichtige Dinge umzusetzen?
Wenn… dann…
Wenn Weihnachten erst mal vorbei ist, dann ruhe ich mich aus. Und wenn das neue Jahr dann erstmal begonnen hat, ja dann…!!!! Ich schiebe und wenn-danne mal wieder was das Zeug hält. Das anstehende neue Jahr guckt verlockend um die Ecke, verschafft mir aber noch ein bisschen Zeit um nicht konkret werden zu müssen.
Das neue ist da…
Und dann ist es so weit. Da ist es, dieses neue, völlig unverbrauchte vielversprechende Jahr. Es geht los. Und? Was und? … na die Magie.. wo ist sie? Dieser unbändige Tatendrang, die Leichtigkeit mit der sich die Aufgaben wie von selbst erfüllen? Ich erinnere mich bewusst an letztes Silvester und den Neujahrstag. Da war nix groß anders. Ich war nicht ausgeruhter als im Dezember, hatte nicht mehr Energie und mehr Klarheit, nur weil ein neuer Kalender aufgehängt wurde. Wenn ich im Dezember an Januar denke, sehe ich mich frisch und ausgeruht an meinem Schreibtisch sitzen und voll motiviert meine Aufgaben abarbeiten. Das helle Licht draußen, das vom Schnee reflektiert wird, schenkt mir Energie. Ich habe einen Plan, bin voller Tatendrang, die Arbeit läuft wie geschmiert und prognostiziert mir ein erfolgreiches neues Jahr.
Und wo bleibt der Schwung?
Spätestens am 3. Tag oder auch erst in der 3. Woche dieses neuen, magischen Jahres merke ich, dass es nicht leichter geht, die ganzen Vorhaben umzusetzen. Und dass das „Neue“ nur mein Aufschiebe-Instrument war. Ein Motivator, der seine Kraft verliert, sobald ich mich für die ganzen Ideen bewegen und drehen und wenden muss um voran zu kommen. So wie ich es auch hätte im Dezember machen müssen.
Es ist immer Jetzt
Ich versuche zu rekonstruieren, wann ich diese Magie überhaupt schon mal gespürt habe und finde keine Verknüpfung zum Jahreswechsel oder anderen festgelegten Feiertagen. Eher zu Momenten in denen eine Idee geboren wurde und völlig frei von zeitlichen Vorgaben auf die Welt und in meine To-Do-Liste kam. Wo man keinen Plan davon hatte wann sie begonnen oder beendet wird. Und ich entscheide ich mich, jetzt in diesem Moment, da es mir bewusst wird: Ich werde nicht mehr auf ein Datum warten, sondern wechselnde Zahlen und sei es die Minutenanzeige auf meiner Uhr, als magisches Zeichen zu nutzen. Ich mache mir bewusst, dass es in jedem Moment an der Zeit ist, einen Impuls umzusetzen. Sofort mit dem zu beginnen, was ich machen will.Denn die Magie liegt nicht im neuen Jahr, die Magie liegt immer im Jetzt. Das nicht mehr zu vergessen ist mein Vorhaben für das neue Jahr 😉
Eine Kurzversion von diesem Artikel findet Ihr auch im neuen Hermann, unserem Cottbuser Stadtmagazin, für den ich seit diesem Jahr hin und wieder ein paar Gedanken schreiben werde.
Hinterlasse einen Kommentar