Es gibt Momente in denen die Zeit und der Lauf des Lebens einen so dermaßen einholen, dass es einem schwer ums Herz wird. Wo man mehr und mehr darüber nachdenkt wie lange man noch mit den Familienältesten zusammen sein darf und wie man diese Zeit miteinander verbringen möchte. Da ist so eine Angst und gleichzeitig so eine Dankbarkeit die mir einen riesigen Kloß in den Hals pflanzen. Und während ich vor dem Seniorenheim in meiner Heimatstadt Vetschau diesen Tag Revue passieren lasse und meine Gedanken aufschreibe, wechseln sich Regen und Sonne ab, als würde das Wetter meine Gefühle wiederspiegeln.
Der Lauf des Lebens
Es ist kein böses Einzelschicksal was da kommt. Dass wir uns irgendwann von unseren Eltern verabschieden müssen. Es ist was wir alle durchleben werden. Die Natur geht ihrer Bestimmung nach und wir, die ein Teil dieses natürlichen Vorgangs sind, wissen oft nicht damit umzugehen. Ich sehe wie meine Freundinnen Babys bekommen und mir wird bewusst dass wir nachrücken. An die Stelle unserer Eltern. Noch sind wir in einer Zwischenebene, alle sind noch da. Bald wird es anders sein und wir stehen ganz oben. So fühlt sich das also an wovon die Erwachsenen schon geredet haben als wir noch Kinder waren. Diese Sprüche mit der schnell vergehenden Zeit und so.
Eltern sterben irgendwie nicht – nicht in unserer Vorstellung vom Leben
Und ich schau gerade bange auf den Moment wo das Dach unserer Familie erneuert wird. Bevor es passiert und bevor man es konfrontiert ist das Leben der Eltern irgendwie so unantastbar. Die Vorstellung sie könnten nicht mehr da sein existiert einfach nicht. Und dann ab einem bestimmten Bewusstsein darüber stellt sich diese Ahnung und die Traurigkeit ein und man kann sich nicht mal zur Kategorie besonders schlimmer Erfahrungen zählen und sich ein außerordentliches Mitgefühl anderer erhoffen weil es jedem mal so gehen wird. Es ist nicht besonders sondern ganz normal. Aber dafür hat dieses Ereignis ein wahnsinniges Schmerzpotenzial.
Und je älter man wird, desto mehr denkt man dran auch wenn man es sich nicht vorstellen kann
Ich denke definitiv zu viel an den Moment. Dabei möchte ich jetzt genießen und dankbar sein. Dafür dass alles noch richtig gut ist. Viel besser als bei den Menschen in dem Pflege- und Seniorenheim in dem ich gerade gesungen habe.
Wenn man reinkommt ist es nicht angenehm. Man begegnet vielen Menschen die nicht mehr fröhlich sind, die apathisch oder zurückgezogen einfach da sitzen und ihr nicht mehr selbstbestimmtes Dasein mehr oder weniger erleben. Sie sind hier weil es nicht mehr anders geht. Sie haben entweder keine Angehörigen oder die Verwandten haben keine oder nur wenig Zeit und können sich nicht um sie kümmern.
Was bleibt denn noch?
Mich macht der Aufenthalt in einem Seniorenheim zuerst immer traurig, weil ich wie oben beschrieben unweigerlich anfange über das Älterwerden und Sterben nachzudenken. Und darüber wie sich diese Menschen wohl fühlen, die nur noch wenig selbst entscheiden und sich zum Teil auch nicht mehr deutlich artikulieren können. Sie haben nicht mehr so viel vom Leben wie wir, die wir jeden Tag Pläne machen und unseren Aufgaben und Freuden nachgehen. Und darum bin ich dennoch gern hier. Um ihnen etwas von meiner Zeit zu geben, von meinem Gefühl, von meiner Musik.
Ich bin dankbar
Wenn ich nach einem Auftritt nach Hause fahre bin ich selig. Besonders wenn ich spüren konnte, dass das was ich gebe angekommen ist. Das ist immer ganz unterschiedlich. Manchmal sind die Leute noch super agil, singen mit und tanzen. Manchmal sind viele Demenzkranke dabei. Menschen die nur noch im Bett liegen können, die nach außen hin nicht mehr anwesend erscheinen. Man sieht nur in den Augen dass etwas von dem was ich sage oder singe zu ihnen durchdringt.
Die Menschen die in einem Seniorenheim arbeiten machen einen großartigen Job
Diesmal war es großartig. Die Mitarbeiterinnen der sozialen Betreuung waren wahnsinnig rührig. Sie haben sich mit jedem einzelnen Heimmitglied beschäftigt und eine wunderbare Stimmung aufgebaut. Sie haben mit denen, die es noch können getanzt, im Vorfeld wurde gemeinsam Kuchen gebacken und sie haben die Räumlichkeiten hergerichtet um gemütlich miteinander den Nachmittag zu verbringen. Ich war total gerührt von der liebevollen Art, wie die Pflegerinnen mit ihren Schützlingen umgehen und welchen Aufwand sie betreiben um für ein paar Stunden mit den Heimbewohnern zu feiern. Ich freue mich einfach dass ich hier sein und etwas zu ihrem Frühlingsfest beitragen konnte.
Und es kommt so viel zurück
Das schönste Geschenk sind die Augen der Bewohner, wenn sie durch die Musik strahlen und man spürt, dass es ihnen Freude macht. Es gibt auch Momente in denen es sie so berührt dass sie Tränen in den Augen haben und dann fällt es mir schwer darüber hinweg zu gehen, weil es mich selber schmerzt. Wer weiß was uns einmal im Alter erwartet und vielleicht sind wir dann dankbar wenn Menschen um uns herum sind, die mit uns reden, uns anschauen und liebevoll sind. Auch wenn wir es nicht mehr zurück geben können. Ich bin unendlich dankbar für solche Nachmittage. An denen man selbst etwas geben kann und so viel zurück bekommt, außerhalb der materiellen Ebene. Die Fotos habe ich per Post vom Team der sozialen Betreuung geschickt bekommen mit einem liebevollen Dankeschön für den schönen Nachmittag. Dieses Danke kann ich nur von ganzem Herzen zurück geben.
Am Ende geht es um Mitgefühl
Bei solchen Auftritten geht es nicht um mich als Künstlerin Clara oder Kathrin Jantke. Hier geht es ganz einfach nur um Musik. Um den gemeinsamen Augenblick und das was man sich als Mensch gegenseitig geben kann. Und da wir jüngeren Menschen noch viel mehr Zeit und Energie haben, denke ich, sollten wir denen etwas davon schenken, die nicht mehr viel davon haben oder ihr Dasein nicht mehr selbstbestimmt und glücklich erleben können. Und ich stelle mir gerade vor dass ich, selbst wenn Clara erfolgreich wird und ich diese Auftritte nicht mehr machen würde um Geld zu verdienen, ich immer wieder in ein Seniorenheim einkehren möchte um für die Menschen dort zu singen.
[…] mache ich nur noch Auftritte, die meinem Wesen entsprechen. Dazu gehören Hochzeiten, Empfänge und Festivitäten in Seniorenheimen mit meiner eigenen Soundanlage. Und in erster Linie Konzerte mit meinen eigenen Songs. […]
[…] Ansonsten hatte ich in diesem Jahr viele Termine in Seniorenheimen, wo ich musikalisch für weihnachtliche Stimmung gesorgt habe. Das ist unheimlich schön und die Menschen dort sind so dankbar. Warum ich generell gern für Senioren auftrete, könnt ihr hier nachlesen. […]
[…] Ansonsten hatte ich in diesem Jahr viele Termine in Seniorenheimen, wo ich musikalisch für weihnachtliche Stimmung gesorgt habe. Das ist unheimlich schön und die Menschen dort sind so dankbar. Warum ich generell gern für Senioren auftrete, könnt ihr hier nachlesen. […]
[…] zu verbringen. Immer wieder wird mir bewusst, je älter wie werden, je älter meine Eltern werden, dass wir alle nicht ewig Zeit haben und dass wir sie nutzen sollten. Solange wir die Möglichkeit haben. Noch zeichnet sich nicht ab […]
Danke für das berührte Thema! Unser Nachbar ist alleine geblieben, ist im Moment im Pflegeheim http://www.hestia-hst.de Nicht nur die ambulante Hilfe hat er dort gefunden, sondern auch neue Freunde, Gleichgesinnte in Streitfragen sowie auch gesunde Ernährung. Er fühlt sich nicht alleine, was am wichtigsten ist:) Danke für emotionale Unterstützung, für Ihren Auftritt!
Liebe Helga,
ganz lieben Dank für Ihren Kommentar und Ihre Wertschätzung, ich freu mich sehr darüber. Ja, was bleibt wenn man nicht mehr allein für alles sorgen kann? Dann freut man sich über Zuwendung von denen die noch ganz viel geben können und deshalb mache ich genau das. Ihnen alles LIebe und herzliche Grüße
Clara