Das äußere und das innere Schiffsleben
unterscheidet sich in vielen Dingen voneinander

An Tag 4 machen wir uns auf zu einer exklusiven Schiffsbesichtigung. Das heißt, wir dürfen hinter die Kulissen schauen und in Bereiche hineinblicken für die man sonst keinen Zugang hat. Ich find das spannend, weil man als Gast natürlich immer nur die schöne Seite erleben soll, die nichts mit Arbeit zu tun hat.

Ist so ein Schiffsleben außerhalb der Urlaubszeit wirklich lebenswert?

Auf dem Schiff ist Platz für ca. 200 Passagiere. Bei unserer Reise sind ca. 140 Gäste und etwa 50 Angestellte an Bord. Die Hälfte davon arbeitet in Bereichen, wo man sie gar nicht bemerkt. In der Wäscherei, in der Küche, im Maschinenraum. Wenn man sich vorstellt, dass das Leben an Bord ganz toll ist wenn man dort arbeitet, dann sollte man so eine Schiffsbesichtigung machen und man wird ganz schnell merken, dass das nicht der Fall ist. In den Etagen wo die Hintergrundarbeiten stattfinden ist es nicht wirklich komfortabel. Die Kabinen sind wahnsinnig klein, die Arbeitsbereiche auch, die Luft ist immer klimatisiert und auch Tageslicht gibt es nicht. Die Arbeitszeiten sind fest, es gibt keine Schichten. Jeder arbeitet jeden Tag und macht den zugeilten Job. Es gibt 2 Tage frei im Monat. Ich schlucke. Das ist nicht viel.

Schiffsbesichtigung-Arosa Riva-Ein-Blick-hinter-Kulissen.

Schiffsbesichtigung-Arosa Riva-Ein-Blick-hinter-Kulissen.

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Nur eine Person für die gesamte Bordwäsche

Wir besuchen Mr.Hu der ganz allein für die gesamte Wäsche an Bord zuständig ist. Bettwäsche, Tischdecken, Handtücher und Kleidung sowohl von der Crew als auch von den Gästen.  Wahnsinn! Wenn ich mir vorstelle, ich lasse mir jeden Tag neue Handtücher bringen und gönne mir den Luxus alle 3 Tage die Bettwäsche wechseln zu lassen, was da bei ca. 140 Gästen zusammen kommt. Da wird man schon wieder etwas bewusster. Obwohl ich sagen muss, dass ein neues Handtuch eine Sache ist die ich hier gern jeden Tag in Anspruch nehme. In den kleinen klimatisierten Kabinen trocknen sie sehr schlecht und die Feuchtigkeit hängt dann in dem kleinen Raum. Je länger man an Bord ist, desto mehr trägt das zu einem muffigen Raumklima bei. Da man kein Fenster öffnen kann, wenn man nicht gerade eine Luxuskabine mit Balkon gebucht hat, ist Frischluft Mangelware. Für mich, die gern bei offenem Fenster schläft und Klimaanlagen nicht mag ist das auf so einem Schiff ein kleines Manko. Aber auch keins was mir schlechte Laune macht. Es gibt Schlimmeres.

Auf engstem Raum findet alles seinen Platz

Weiter mit demRundgang. Groß ist das Schiff nicht und jeder Winkel wird optimal genutzt. Wir werfen einen Blick in den Bereich, in dem die Kapitänsbrücke verschwindet wenn sich auf der Route niedrige Brücken nähern. Er liegt direkt hinter der Bar und unter dem Sonnendeck. Von dort aus muss der Kapitän das Schiff blind bzw. über Kamera und Radar steuern weil die Brücke völlig innerhalb des Schiffes abgesenkt wird. Danach laufen wir viele enge Gänge entlang, vorbei an den winzigen Crewkabinen und dürfen einen Blick in den Maschinenraum werfen, aber nur einen Blick. Der Raum darf nicht betreten werden. Heiliges Gelände. Es ist extrem laut dort. Wir bekommen sogar für den kleinen Blick in das Herz des Schiffes Kopfhörer aufgesetzt. Die Vorstellung ich müsste hier arbeiten weckt bei mir sofort unangenehme Gefühle. Kira zeigt uns kurz ihre winzige Kabine, möchte sie aber ungern auf Fotos und Videos verewigt haben. Zuviel Mädchenkram im Visier. Okay verstanden. Die meisten Angestellten hier an Bord teilen sich eine Kabine, ein Einzelbett ist eher selten.

Schiffsbesichtigung-Arosa Riva-Ein-Blick-hinter-Kulissen.

Schiffsbesichtigung-Arosa Riva-Ein-Blick-hinter-Kulissen.

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Rundum-Service heißt rund um die Uhr arbeiten

In der Küche ist es recht angenehm, was Platz und Klima angeht. Obwohl die Fläche im Verhältnis zu dem was dort jeden Tag produziert wird doch extrem klein ist. Aber sie wirkt total aufgeräumt und sauber und das macht Vorfreude aufs nächste Mittagessen. Nur mal so kurz aufgezählt. Es gibt ein Frühstückbuffet, meist von 7.30 bis 9.00 oder 10.00 Uhr, an 3 Tagen gibt es um 11.30 einen Frühschoppen mit einer Spezialität passend zum Thema und Cocktails. Ab 12.00 Uhr steht das Mittagsbuffet für ca. 2 Stunden bereit. Um 15.30 gibt es ein Kuchenbuffet und ab 19.00 Uhr Abendessen. Außerhalb dieser regelmäßigen Buffets gibt es noch Extra-Dinner-Angbote wie das Spanferkelessen oder das Kapitäns-Dinner, mit 3-Gänge-Menü. Solange man sich keine Gedanken über die Vorbereitungen machen muss, genießt man eine ständige Versorgung mit tollen Speisen. Sobald ich beginne mir vorzustellen wie das alles strukturiert werden muss, damit die Gäste pünktlich ihren kulinarischen Gelüsten nachgehen können frage ich mich, ob die Köche und das Servicepersonal überhaupt Pausen haben. Außerdem verstehe ich, dass bei Ende der Essenszeiten rigoros abgeräumt wird auch wenn Nachzügler noch schnell irgendwo was abgreifen möchten. Es ist ein ewiger Kreislauf. Abräumen, sauber machen, neu eindecken, dekorieren und alles muss stehen wenn die hungrige Meute kommt.

Schiffsbesichtigung-Arosa Riva-Ein-Blick-hinter-Kulissen.

Schiffsbesichtigung-Arosa Riva-Ein-Blick-hinter-Kulissen.

Schiffsbesichtigung-Arosa Riva-Ein-Blick-hinter-Kulissen.

Viele Einblicke sind aber noch nicht genug bei so einer Schiffsbesichtigung

Weitere Fragezeichen in meinem Kopf entstehen bei der Überlegung wo die ganzen Mengen an Lebensmitteln gelagert werden (das haben wir leider nicht gesehen), wie die Einkäufe gemacht werden, was an Abfällen zusammenkommt. Oh Mann. Da wird die Kluft zwischen einem unbeschwerten und luxuriösen Schiffsleben und der Leistung die dahinter steckt doch extrem groß. Da ich selten nur genieße, sondern mir oft Gedanken mache, besonders wenn es um Menschen und ihre Gefühle geht, frage ich mich oft wie die Leben der anderen hier wohl so aussehen. Warum sie hier auf dem Schiff arbeiten, ob sie das wirklich gern tun, wie es ihnen geht, wenn sie sich mal nicht so gut fühlen. Bei den Passagieren durfte ich viele Einblicke gewinnen, denn immer wenn man mit jemanden ins Gespräch kam, haben sie mir viel von sich erzählt. Dazu aber mehr im Artikel Schiffsleben.

Der Kunde ist König – und was ist das Personal?

Zurück zur Arosa und der Schiffsbesichtigung. Das Personal hier hat leider nicht viel Zeit zum Reden. Sie sind ständig damit beschäftigt dass es uns Passagieren an nichts fehlt. Überall wo man sich hinsetzt erscheint jemand und fragt was wir trinken möchten. Manchmal komme ich mir komisch vor, mich so bedienen zu lassen und ich hole mir selbst was von der Bar oder vom Teebuffet. Der Kapitän erzählt uns am, dass der Kunde hier der König sein soll und alles zu seiner Zufriedenheit ablaufen muss. Darauf wird bei der Arbeit der Leute aus dem Service strengstens geachtet. Ich spüre da eine etwas angespannte Ernsthaftigkeit in seinen Worten. Alles und jeder muss funktionieren. Das ist für die Gäste mit Sicherheit ganz wunderbar aber ist es das auch für das Personal?

Alle Menschen sind gleich

Ich sage dem Kapitän dass es für mich nicht schlimm ist wenn mal was nicht so funktioniert. Wir sind ja alle Menschen. Jeder ist gleichwertig, egal welche Arbeit er macht. Und auch wenn mal etwas nicht nach den Vorstellungen eines Gastes läuft, funktioniert doch hier grundsätzlich alles zum Wohle der Leute. Aber ich glaube, so entspannt sieht das nicht jeder. Es geht ja meist ums Geschäft. Arosa z.B. steht für hohe Qualität und einen komfortablen Service. Die Gäste zahlen für einen gewissen Luxus und sollen es am Ende auch so empfunden haben. Aber des einen Luxus muss ja nicht des anderen Zwang sein oder? Ich bin für ein menschliches und gleichgestelltes Miteinander und versuche das auch so oft wie möglich im Umgang mit anderen Menschen zu leben. Wie sich die Hierarchie auf der Arosa gestaltet kann ich nicht beurteilen, denn nach außen hin sieht alles nach einem eingespielten Team mit menschlich angenehmem Klima aus. Ich hoffe es sehr, dass es auch so ist, alles andere wäre traurig.

Jeder Kellner ist bedacht die Gäste an Bord immer zuvorkommend zu bedienen.

Pavlo aus der Ukraine war unser Libelingkellner an Bord

Jeder Kellner ist bedacht die Gäste an Bord immer zuvorkommend zu bedienen.

Und manche mag man einfach etwas mehr

Unser, also Monis, Christians und unser Lieblingskellner wird Pavlo. Er ist immer freundlich und so persönlich aufmerksam… also immer. Und zwar auf eine Art die nicht wie zur Freundlichkeit verpflichtet wirkt, sondern ganz ehrlich und natürlich. Als wir eines Abends noch in der Lounge sitzen fragt Christian nach Chips und Salzstangen, aber leider wurden vor der Inspektion am Vormittag alle offenen Bestände entsorgt und noch keine neuen Vorräte angelegt, so dass das Schiff völlig knabberzeugfrei mit uns unterwegs ist. Und Schokolade, fragt Christian. Habt ihr Schokolade? Pavlo verneint, bietet uns aber an, uns welche zu bringen die ihm seine Frau immer auf das Schiff schickt. Kurze Zeit später serviert er uns eine Schale mit feinsten ukrainischen Pralinen aus seinem Privatbesitz. Einfach so. Wir erfahren dass er zu Hause ein kleines Kind hat und dass er hier auf dem Schiff für seine kleine Familie arbeitet und sehr selten zu Hause ist.

Ist das Leben so, wie Du es Dir machst?

So ähnlich geht es vielen anderen Angestellten hier auf dem Schiff. Sie arbeiten um das Geld nach Hause zu schicken. In solchen Momenten wird mir wieder bewusst, wie gut es uns geht. Und ich frage mich ob es stimmt, dass jeder das Leben lebt was er sich aussucht, bzw. dass jeder sich sein Leben frei gestaltet. Und ob hier Karma eine Rolle spielt. Denn wer sucht es sich aus, statt bei seiner Familie zu sein, auf einem Schiff Tag für Tag, Woche für Woche ohne viel Freizeit zu arbeiten? Die Schifffahrt-Saison geht von März bis Februar. Das heißt es gibt nur ungefähr einen Monat Pause und wenn sich jemand für eine ganze Saison verpflichtet ist er wirklich sehr sehr selten daheim. Diese Schiffsbesichtigung auf der Arosa Riva zeigt mir ein paar Details, mit denen ich alles hier noch ein bisschen mehr wertschätzte als ich es eh schon tue. Denn hier arbeiten Menschen im Hintergrund, die all das erschaffen was der Gast genießen darf. Die oft nicht das direkte Dankeschön empfangen weil man sie gar nicht bemerkt und sieht. Die einzige Möglichkeit der Honorierung ist das Trinkgeld was man am Ende der Reise für alle in einen Topf werfen kann.

Schiffsbesichtigung-Arosa Riva-Ein-Blick-hinter-Kulissen.

Schiffsbesichtigung-Arosa Riva-Ein-Blick-hinter-Kulissen.

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Das eigene Leben betrachten und dankbar sein

Die Zusammenhänge werde ich sicher nicht alle erörtern, aber irgendwas muss ich in diesem Leben richtig gemacht haben, auch wenn ich noch nicht dort bin wo ich hin möchte. Aber ich hab unglaublich viel Freiheit, mir meine Arbeit und meine Freizeit zu gestalten und dafür bin ich dankbar. Ich lebe nicht im finanziellen Luxus, aber das Leben was ich momentan führe wäre nicht mit Geld zu bezahlen. Denn dazu gehört das Bewusstsein über das was alles wertvoll ist. Und solche Dinge wie Gesundheit, das gemeinsame Erleben mit meinem Schatz und liebevolle Menschen um mich herum. Diese Schiffsbesichtigung zeigt mir einmal mehr, wie gut es mir geht. Ich danke dafür!

Ein paar kurze weiterführende Links, wenn Ihr nichts verpassen wollt:

Alle bisherigen Artikel zu meiner Arosa Kreuzfahrt findet Ihr unter “Clara unterwegs”
Zum Artikel über meine Ankunft auf der Arosa geht es hier entlang.
Wie ich Wien erlebt habe könnt Ihr hier nachlesen.
Text und Musik zu meinen Konzerten auf der Arosa findet Ihr hier.

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