Warum war ich eigentlich noch nie in Ungarn?
Ich weiß es nicht. Aber jetzt bin ich da.
In einer wunderschönen Umgebung: Der Puszta.
Wenn auch als absoluter Tourist.
Mein Schatz kommt ganz aufgeregt von so einer Infofilm-Vorführung und meint, da gibt es einen ganz tollen Ausflug, den möchte er so gern mitmachen. In die Puszta, mit Kutschfahrt und Pferdevorführung und so. Aha haben sie es also geschafft. Ja gut, sage ich, machen wir und er bucht ausnahmsweise mal einen Reisegruppentag. Mit Frühstück heißt das um 6.30 Uhr aufstehen und einen straffen Tagesplan bis um 16.00 unser Schiff wieder ablegt. Moni und Christian sind auch dabei, das wird lustig.
Mit dem Reisebus gemütlich durch Peszt
Als erstes erwartet uns eine 90-minütige Busfahrt. Ich nutze die Zeit, um meinen Blogtext vom Vortag zu vollenden und bin gedanklich erst mal weg, während wir durch das Komitat Pest fahren. In Ungarn ist ein Komitat so etwas wie bei uns ein Bundesland. Wir bewegen uns dabei auf der großen ungarischen Tiefebene in Richtung Osten Südosten und während ich ganz hinten im Bus meine Erinnerungen abrufe spüre ich das gesamte Wissen unseres Reiseleiters Andras über uns hernieder rieseln.
Und was darf nicht fehlen? – Ein vor Fakten strotzender Reiseführer
Er eröffnet uns dass er nicht die ganze Zeit reden wird, das stimmt mich selig. Von dem was er erzählt tippe ich einiges in mein Handy, um es für diesen Artikel hier festzuhalten. Z.B. Erfindungen die in Ungarn gemacht wurden: Computer, Farbfernseher, Zauberwürfel, Hubschrauber, Sodawasser, Kugelschreiber… ach echt? Wusste ich nicht. Interessant. Oder ein paar bekannte Persönlichkeiten, die aus Ungarn stammen wie Franz Liszt, Marika Rökk, Zsa zsa Gabor. Peter Falk und Tony Curtis hatten jedoch nur ungarische Wurzeln. Trotzdem rühmt Andrasz sein Land gern mit diesen Namen. Okay… wenn ich mal berühmt bin, vielleicht spielt man dann in Köln auch meine Lieder weil Jupp Schmitz vom Steingass-Terzett mein Großonkel (der Bruder meines Opas, also des Vaters meiner Mutter) war und ich demzufolge kölsche Vorfahren habe. Und in Polen rutsche ich dann hoffentlich auch in die Promi-Liste, mit der sich das Land schmückt, weil die Familie meines Papas aus Schlesien kommt. Wir werden sehen.
Nenne mir ein Hungarikum
Was ist typisch ungarisch, fragt uns Andrasz. Naaaa… Paprika… Die kommt aber eigentlich aus Mittelamerika und wurde von Columbus bei den Indianern entdeckt. Dann wäre da noch Palinka, Salami, Unicum, Baumkuchen und Langos. Alle diese Dinge sind jeweils ein Hungarikum, sprich typisch ungarisch. Irgendwann muss ich tief durchatmen weil es anstrengend wird zuzuhören. Als er von der ungarischen Wirtschaft erzählt, kommt es im vorderen Bereich des Busses zu politischen Erörterungen von denen wir hinten nur die Kommentare von Andrasz hören. Er lässt sich ausführlich über den ungarischen Ministerpräsidenten Orban aus und das schafft eine komische Stimmung im Bus. Mein Schatz schlummert, er meint das kann er bei der Stimmlage von Andrasz gut. Der Glückliche.
Reisegruppenfeeling pur
Ich freu mich auf das Ende der Busfahrt. Auf die angekündigte Kutschfahrt, Lipizzaner und ungarische Gulaschsuppe. Ich bin gespannt wie touristisch das alles aufgebaut ist und ob wir danach entscheiden uns wieder mal irgendwann auf einen gebuchten Ausflug einzulassen oder ob wir sagen nie nie wieder!!!!
Wir machen eine kurze Pipi-Pause und Andrasz preist uns die vorhandenen Toiletten für nur 50 Cent in einer Art an, dass wir alle unbedingt hin wollen und ich mir Gedanken mache ob ich noch kommende ungarische WCs lieber nicht aufsuchen sollte. 10 Minuten später hören wir wieder Fakten Fakten Fakten über Ungarns Geschichte auf dem Weg in die Puszta. Am Rande der Autobahn unterscheidet sich die ungarische Landschaft nicht viel von Der Deutschen. Felder und mohnblumenübersähte Wiesen. Wunderschön aber nicht außergewöhnlich.
Station 1 – Zauberhaftes Städtchen Kecskemét
In Kecskemét, einem hübschen kleinen Ort mit vielen Kirchtürmen machen wir den nächsten Halt. Wir tappeln erst mal hinter der Reisegruppe her und begeben uns dann an jedem Haltepunkt etwas abseits auf Motivsuche. Das Tempo von Andrasz passt gut in unser fotografisches Timing und so kommt jeder auf seine Kosten. Wir reihen uns immer wieder gern in die Schlange ein, die sich nicht auf den eigenen Orientierungssinn verlassen muss sondern einfach dem Gänsepapa Andrasz folgen darf, kommen mit netten Senioren ins Gespräch und genießen einfach einen entspannten Tag.
Nach dieser Besichtigung fahren wir weiter durch kleine Ortschaften mit lang gezogenen Häusern in typisch ungarischen Baustil. Zur Hauptstraße hin haben alte Bauernhäuser oft nur ein oder 2 Fenster, denn früher wurde die Steuer danach bemessen. Wer also mehr Fenster zur Hauptstraße einbauen ließ musste mehr Steuern zahlen. Aha. So sah man also schon von der Straße aus wer reich und wer arm war.
Und weiter geht´s – zu Station 2
Nächster Punkt auf der Tagesreiseordnung ist die Pferdefarm Tanyacsarda. Ein wunderschön gepflegtes Gut mit viel Grün und vielen Tieren. 50 Hektar großer Privatbesitz mit Gastronomie, Pferdezucht und Pferdevorführungen. Leider gehöre ich heute zu einer Reisegruppe mit festgelegter Zeitstruktur sonst würde ich ein paar Stunden hier bleiben um die Pferde, Schafe, ungarische Graurinder und Albino-Esel zu streicheln und zu fotografieren. Aber der Plan sieht es vor dass wir nach dem Begrüßungs-Snack aus einem salzigen Gebäck und Aprikosenschnaps (Barack) in die Kutsche steigen und eine Runde durch die Puszta fahren. Es ist auch hier wunderschön, aber wüsste ich nicht dass ich in Ungarn wäre, würde ich sagen wir könnten diese Nattur auch bei uns in der Art erleben. Nur die Kleidung der Kutscher erinnert an ein fremdes Land. Auf keinen Fall möchte ich diese Idylle abwerten, es ist traumhaft schön. Trotz Reisegruppenzwang. 😉
Station 3 – Pferdestärke und Menschenwille
Nach der Fahrt laufen wir zu einer großen Koppel, auf der extra für uns die Pferde einmal über das Gelände getrieben werden. Hach das sind Bilder. Das hat sowas von Freiheit und Kraft, dass ich ganz berührt bin. Wenn auch nur in diesem Moment wo diese edlen Wesen, zwar getrieben von Menschenhand aber ohne Trense und Zaumzeug, mit dem Wind um die Wette fegen. Bei der folgenden Vorführung mit Kutschen und Kunststückchen bin ich mir nicht so sicher, wieviel Freiheit und auch Einfühlsamkeit bei der Arbeit mit den Tieren einfließt. Da ich aber keinen tiefen Einblick in die Arbeit mit den Tieren habe, werde ich aufhören darüber nachzudenken und den Augenblick einfach annehmen und die Schönheit der Puszta-Pferde, der Lipizzaner und auch der Albino-Esel bewundern und hoffen dass sie ein ganz tolles Leben hier haben. Es gibt keine Anzeichen dafür dass dies nicht der Fall sein könnte.
Station 4 – Mittagessen mit Engpass
Nach einem zünftigen ungarischen Mittagessen, in einem großen katinenartigen Saal soll der Rückweg angetreten werden. Andrasz ist unruhig, denn der Zeitplan sagt, wir laufen um 16 Uhr aus und der Nachtisch lässt eine Spur zu lang auf sich warten. Ich beobachte ihn wie er zwischen den gemütlich essenden Menschen hin und her läuft und sich nervös nach den Kellnern umschaut. Das 10-sekündige Auf-die-Uhr-Schauen hilft dabei nicht dass alles schneller geht. Das ungerische Musiktrio dass sich versiert durch die gesamte Bandbreite bekannter romantischer Melodien gefiedelt hat spielt in diesem Moment temporeiche Stücke und unterstreicht damit die ganze momentan sehr unruhige Atmosphäre. Da kommt auch schon der flambierte Palatschinken, alle hauen nochmal rein, denn die sind wirklich lecker und dann gibt es den großen Aufbruch.
Station 5 – Rückkehr zum Schiff
Am Ende kann sich Andrasz getrost auf seine Reiseführerqualitäten verlassen, denn 4 Minuten vor 4 wackeln wir alle über die Gangway aufs Schiff. Ich nehme Omi Martha an meine Hand als es die Treppe hinunter geht. Ich hab ein bisschen Angst dass wir sie verbummeln, weil alle schnell aufs Schiff wollen und vorneweg laufen. Schatz trägt ihr den Rollator runter und dann sind wir auch schon fast da. Ich mag Omi Martha. Sie erzählt immer so schön, ist stets frühlingshaft gekleidet und niemals schlecht drauf. Selbst wenn sie mit Ihrem Flitzer nicht kann, bleibt sie einfach an Ort und Stelle und schickt ihren Mann mit den anderen zum Sightseeing.
Búcsú Ungarn
Wir treffen uns mit Moni und Christian auf dem Sonnendeck um das Auslaufen des Schiffes zu erleben und es ist wirklich ein Erlebnis. Visuell und emotional. Vorbei an der Kulisse der Stadt, mit Musik von Hansi, so dass man völlig wehmütig wird und dieses tolle Gefühl wird potenziert durch die liebevollen Menschen um uns herum. Wir stehen andächtig an der Reling, knipsen was das Zeug hält, und bestellen uns Cocktails und heiße Schokolade. Wir lassen es uns gut gehen und genießen so dermaßen den Moment.
Bewusst sein wie schön es ist und wertschätzen dass es so ist
Beim letzten Blick auf das beleuchtete Budapest wird einem nochmal bewusst, dass die letzten Tage dieser Reise begonnen haben. Und keiner will dran denken, geschweige denn nach Hause fahren. Genau so wünsche ich es mir noch einmal. Mit den Menschen, mit dem Gefühl… Was für ein schöner Tag. Beim Schneiden des Videos spüre ich das alles noch einmal. Diese leichte Zeit, dieses im Hier und Jetzt sein mit Freunden und der Welt.
Weiterführende Links zur Arosa-Tour:
Alle bisherigen Artikel zu meiner Kreuzfahrt findet Ihr unter „Clara unterwegs“
Zum Artikel über meine Ankunft auf der Arosa geht es hier entlang.
Wie ich Wien erlebt habe könnt Ihr hier nachlesen.
Text und Musik zu meinen Konzerten auf der Arosa findet Ihr hier.
Die Schiffsbesichtigung mit vielen Hintergrundinfos ist hier nachzulesen.
Und wie es in Budapest war, lest Ihr hier.
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